Unsere Sprechzeiten:

Online-Fachtagung „Außer Rand und Band – Umgang mit herausforderndem Verhalten in Kita und Hort“

Die diesjährige Online-Fachtagung des Netzwerks Gesunde Kita fand am 06. Juni 2023 statt. Über 160 Teilnehmende nahmen an den zwei Fachvorträgen und insgesamt sechs Workshops teil.

In zwei spannenden Fachvorträgen und Workshop-Phasen beschäftigten wir uns mit herausforderndem Verhalten von Kindern in Kitas und Horten. Was sind mögliche Ursachen und wie können pädagogische Fachkräfte mit den Kindern und ihren Eltern einen guten Umgang damit finden? Die Online-Fachtagung nahm sowohl die Gesundheit der pädagogischen Fachkräfte in den Blick als auch die Begleitung von Kindern in ihrer individuellen Entwicklung und in herausfordernden Situationen.

Eröffnung und Grußworte

Janet Priebe eröffnete die Online-Fachtagung und begrüßte die Teilnehmenden. Herausforderndes Verhalten von Kindern habe viele Gesichter, oft weitreichende Vorgeschichten und sei mental sowie körperlich belastend für alle Beteiligten – für die Fachkräfte in den Kitas und Horten, die Eltern und nicht zuletzt für die Kinder selbst. Dennoch würden per se alle Kinder kooperieren und mit ihrer Umwelt gut zurechtkommen wollen. Deshalb sei es so wichtig, das Verhalten des Kindes verstehen zu wollen, sich dem Moment zu widmen und zu schauen, welche Bedeutung hinter dem „nicht hören wollen“, dem „provozieren“ und „anstrengend sein“ stecken könnte. Die Online-Fachtagung werde beleuchten, wie eine gelingende Kommunikation und das Erkennen eigener Muster und Verhaltensweisen im Umgang mit herausforderndem Verhalten helfen können. Um schwierige Situationen gut zu meistern und Sicherheit zu haben, gehe es auch darum, bei sich zu beginnen und Selbstregulation vor Co-Regulation zu stellen. Neben dem seelisch gesunden Heranwachsen der Kinder werde daher auch die Gesundheit der pädagogischen Fachkräfte in den Blick genommen, sodass – so schloss Janet Priebe – die Teilnehmenden sich für ihren Arbeitsalltag gut stärken können. 


Ministerin Ursula Nonnemacher hieß in ihrer Videobotschaft die Teilnehmenden zur der Online-Fachtagung des Netzwerks Gesunde Kita herzlich Willkommen. Sie beschrieb den Umgang mit herausforderndem Verhalten in Kita und Hort als ein Thema, das durch die Pandemie und die bestehenden Krisen an Bedeutung gewonnen hat. Die Sonderauswertung der COPSY-Studie für das Land Brandenburg zeige die Zunahme psychischer Beschwerden von Kindern. Weitere Faktoren wie die soziale Herkunft der Kinder, die ökonomischen und materiellen Ressourcen sowie das Gesundheitsverhalten der Eltern könnten herausforderndes Verhalten begünstigen. Wenn die Kinder keine adäquate Unterstützung erhielten, könne sich die Problematik verschärfen und sogar chronisch werden. Ministerin Nonnemacher betonte ihr Verständnis für die Fachkräfte, die mit diesen Belastungen in ihrer täglichen Arbeit konfrontiert werden und davon körperlich wie psychisch nicht unberührt bleiben. Sich selbst gegenüber empathisch zu sein, auf sich Acht zu geben und das eigene Verhalten und die Emotionen zu reflektieren, sei nicht immer leicht, könne jedoch neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Abschließend bedankte sie sich für die Arbeit und das Engagement der pädagogischen Fachkräfte und sprach ihnen ihre Anerkennung aus. Sie wünschte den Teilnehmenden eine anregende und inhaltsreiche Online-Fachtagung, die einen kleinen Beitrag zur Gesunderhaltung leisten solle.  

Video-Grußwort der Ministerin Ursula Nonnemacher


Fachvortrag 1

„Schematherapeutische Aspekte in der Erziehung“

Dr. Bastian Willenborg, Ärztlicher Direktor und Chefarzt Oberberg Fachklinik, Zentrum für Seelische Gesundheit

Wie kommen uns unsere eigenen Muster bei der Begleitung von herausfordernden Situationen mit Kindern in den Kitas und Horten in die Quere? Wie erkenne ich Trigger-Situationen, welche Botschaft steckt dahinter und wie können wir sie auflösen? Wir wissen, die Befriedigung oder ein Mangel in unseren eigenen emotionalen Grundbedürfnissen sind wesentlich verantwortlich für unser emotionales Erleben, unseren Blick auf Situationen und unseren Umgang mit Mitmenschen und uns anvertrauten Personen. In diesem Vortrag wurden die emotionalen Grundbedürfnisse nach Young und ihr Einfluss auf unser Leben erläutert und erlebbar gemacht werden.

Gemeinsam mit Bastian Willenborg schauten die Teilnehmenden auf den Einfluss der unterschiedlichen Lebensrealitäten von Kindern, besonders in Konfliktsituationen und die Notwendigkeit einer flexiblen und doch stabilen Beziehungsgestaltung in der Arbeit mit ihnen. Bastian Willenborg ist Autor des Buches „Kind, du machst mich wahnsinnig!“ Hier ließ er uns an seiner Expertise im Kontext Kita und Hort teilhaben.

Fachvortrag 2

„Herausforderndes Verhalten bei Kindern verstehen und begleiten: Einführung in die gehirnbasierte Kommunikation mit Kindern“

Dr. Kathrin Mikan, Kinder- und Neuropsychologin, Gründerin der SUPERHELDENKIDS

In diesem Impulsvortrag beschäftigen wir uns mit folgenden Fragen: Was passiert im Gehirn bei Kindern mit „herausforderndem Verhalten“? Warum reagieren manche Kinder „intensiver“ als andere? Warum ist „herausforderndes Verhalten“ eigentlich so herausfordernd für uns als erwachsene Bezugspersonen? Und wie können wir Kinder gehirnbasiert begleiten, um sie so in sozial-emotionalen Kompetenzen – und damit prosozialem Verhalten - zu stärken?

Das Handout zum Fachvortrag erhalten Sie nur auf Anfrage.
Website von SUPERHELDENKIDS

Workshops

Workshop 1: „Ein offenes Herz behalten…“: Denkanstöße, systemische Sichtweisen, helfende Prinzipien

Sonja Kaemper, freie Dozentin, Pädagogin und Systemische Therapeutin

Herausforderndes Verhalten von Kindern verstehen, aushalten und angemessen reagieren, das ist alles andere als eine leichte Aufgabe… und deshalb braucht es in pädagogischen Arbeitsfeldern den liebevollen Blick in jede Richtung, besonders und zuallererst aber auf uns selbst!
Selbstempathie ist eine wichtige Schlüsselkompetenz für Menschen in sozialen Berufen. Dazu gehört ein offenes Herz im Hinblick auf Mitgefühl, aber auch die Fähigkeit, die eigene Gefühlswelt so zu managen, dass ich dazu in der Lage bin, nicht alle aufkommenden Gefühle nach außen zu bringen. Auch das Prinzip der Gleichwürdigkeit (Jesper Juul) kann helfen, uns und unsere pädagogische Arbeit freundlich und respektvoll zu betrachten und unsere Professionalität zu reflektieren. Nicht nur das Kind in Schwierigkeiten hat viele gute Gründe für sein besonderes Verhalten, auch wir Fachkräfte haben eine sehr persönliche Geschichte, die unsere Wahrnehmung beeinflusst, unser Verhalten steuert und erzieherische Glaubenssätze hervorgerufen hat. Eine Einladung, erst einmal bei sich zu bleiben!

Workshop 2: Herausforderndes Verhalten als Strategie von Kindern, mit Situationen umzugehen, die für sie selbst herausfordernd sind?!

Natalie Jatzlau, Therapeutische Leiterin Fontane-Klinik

Unsere alltägliche Arbeit kommt mitunter ins Stocken, weil wir auf vermeintlich „schwierige“ Kinder stoßen. In unserem Leben konstruieren wir – auch in der Rolle als Erzieher*in – Bilder von der Wirklichkeit, schaffen Glaubenssysteme und innere Landkarten und halten diese für die objektive Realität. Dadurch gewinnen wir Orientierung, erfahren aber auch Begrenzung unserer Handlungsmöglichkeiten. In diesem Workshop regte Natalie Jatzlau die Teilnehmenden an, diesen Moment in der Arbeit mit etwas Abstand neu zu bewerten. Kinder, die in Familien mit besonderen Herausforderungen aufwachsen, entwickeln ihre Bewältigungsstrategien, damit umgehen zu können. Das Erkennen solcher Strategien macht es uns möglich, vorhandene Resilienzen, Stärken und Ressourcen bei den Kindern zu erkennen und herausfordernde Situationen gut zu begleiten. In diesen Kompetenzen und Ressourcen ruhen aus unserer Sicht Kräfte der Kinder, die ihnen helfen können, ihre seelische Gesundheit zu schützen. Auch zeigen sie uns auf, welcher Bedarf der pädagogischen und mitunter auch psychotherapeutischen Hilfestellung sie haben. 

Workshop 3: Streit zwischen Kindern als Herausforderung – Konfliktbegleitung im pädagogischen Alltag

Sabrina Dittmann, freie Dozentin, Coach, Supervisorin

In der Kita gehört Streit zwischen Kindern zum Alltag. Viele pädagogische Fachkräfte erleben das als große Herausforderung, insbesondere dann, wenn Kinder hauen oder schreien, Bauwerke einreißen und weglaufen oder im anschließenden Gespräch schweigen, grinsen oder leugnen.
In welchen Situationen entstehen Konflikte unter Kindern besonders häufig? Lassen sich Konflikte vermeiden? Wie begleitet man einen Kinderstreit, sodass Kinder Schritt für Schritt lernen, Konflikte selbst zu klären? Diesen Fragen gingen die Teilnehmenden gemeinsam mit Sabrina Dittmann im Workshop auf den Grund. Sie betrachteten konkrete Beispiele und überlegten, was es braucht, damit Streit zum Ausgangspunkt eines wertvollen Lernprozesses werden kann.

Workshop 4: „Die Antwort auf herausforderndes Verhalten“ – Mit pädagogischem Blick auch auf Jungen in Kitas und Horten

Dirk Fiebelkorn, freier Dozent, Coach, Traumapädagoge, Jungenpädagoge

Der Alltag in Kita und Hort ist nicht leichter geworden. Immer mehr extreme Situationen, aber auch herausfordernde Kinder und Kolleginnen und Kollegen rauben uns die Energie und lassen uns immer wieder gegen die Wand fahren. Wenn sich dann der Frust aufbaut und wir entweder in den Kampfmodus gehen, oder uns in die Flucht zurückziehen möchten, suchen wir nach Lösungen. Ein Workshop kann da natürlich nicht gleich alles auf einen Schlag verändern. Der richtige Workshop zeigt uns jedoch die ersten Schritte auf unserem Weg raus aus dieser explosiven Situation, rein in einen entspannteren und produktiveren Alltag.
In diesem Impulscoaching beleuchtete Dirk Fiebelkorn, was oft wirklich hinter dem herausfordernden Verhalten steckt. Die Teilnehmenden erfuhren warum Beziehungsarbeit erfolgreicher ist als Kontrollmechanismen und Machtmissbrauch und lernten die Formel für maximale (Selbst)Wirksamkeit im pädagogischen (und privaten) Alltag kennen. Im Workshop wurde auch auf Jungen-spezifische Herausforderungen eingegangen.

Handout zum Workshop
Website von Dirk Fiebelkorn
YouTube-Kanal von Dirk Fiebelkorn
Podcast "Praktisch Pädagogisch" auf allen gängigen Musikplattformen

Workshop 5: Elterngespräche in konfliktreichen Situationen wirksam gestalten – ein systemischer Ansatz

Jeanette Schmieder, freie Dozentin, Systemischer Coach

Eine gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Eltern ist die beste Voraussetzung, um auch in problematischen Situationen positive Veränderungen zum Wohle des Kindes herbeizuführen oder möglichen Risiken entgegenzuwirken. Doch unterschiedliche Erwartungen, mögliche Vorurteile, Abwehrmechanismen oder auch Ängste können ein Elterngespräch zu einer Herausforderung im beruflichen Alltag werden lassen und sowohl bei den betroffenen Eltern als auch auf professioneller Seite große Verunsicherung auslösen. Der Workshop „Elterngespräche in konfliktreichen Situationen wirksam gestalten“ gab den Teilnehmenden einen Einblick, welche Möglichkeiten sich aus systemischer Sicht ergeben, neue Perspektiven und Handlungsweisen zu eröffnen, um konfliktreichen Gesprächen eine positive Wendung zu geben. Neben den systemischen Methoden wurden auch ein Verständnis für die eigene Rolle und die innere Haltung vermittelt und ein bedürfnisorientierter Blick auf die Eltern gestärkt. Der Workshop war eine Einführung in die systemische Arbeitsweise und lud ein, diese bei Interesse zu vertiefen.

Workshop 6: Pippi Langstrumpf, Heidi, Max und Moritz und noch 20 andere: „Wenn wir mit unserem Latein am Ende sind….“

Sonja Kaemper, freie Dozentin, Pädagogin und Systemische Therapeutin

Chronisch gestresste Kinder, Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, herausfordernde Kinder, Kinder, die aus dem Rahmen fallen, es gibt viele Beschreibungen … aber eines verbindet diese Kinder: Sie brauchen uns ganz besonders!
Herausfordernde Kinder haben sehr gute Gründe für ihr Verhalten. Sie haben keine bösen Absichten und sie wollen uns nicht ärgern. Sie wenden etwas an, weil es funktioniert, sie sorgen für sich und versuchen, ein Ungleichgewicht in ihrem Leben auszugleichen. Kinder, die Probleme haben, brauchen liebevolle Führung, Dialog und Beziehung. Sie brauchen Brückenbauer, Vertrags- und Bündnispartner, Machtkampfmüde und Schätzefinder, Menschen mit Haltung und Ideen. Kinder mit Problemen brauchen ein Gegenüber, das manchmal Fehler macht, nicht immer Recht hat und auch auf der Suche ist. Und weil keiner all das sein kann, reicht auch ein zugewandter Optimist an ihrer Seite, der hartnäckig an Veränderung glaubt und gemeinsam mit anderen für gute pädagogische und institutionelle Rahmenbedingungen Sorge trägt.
Denkanstöße für eine fehlerfreudige Pädagogik auf Augenhöhe.

Schlusswort

Herausforderndes Verhalten von Kindern bewegt viele pädagogische Fachkräfte und Eltern. Es löst Stress und negative Gefühle aus, bringt die Beteiligten an ihre jeweiligen Belastungsgrenzen und lässt oft das Gefühl der Hilflosigkeit zurück. Für Kinder ist es wichtig, in schwierigen Situationen in ihren Gefühlen und Reaktionen feinfühlig und ihrem Entwicklungsstand angemessen begleitet zu werden. Nicht selten stecken hinter herausforderndem Verhalten wie Kratzen, Beißen, Schlagen oder Weglaufen für die Kinder bewährte Strategien, mit überfordernden Situationen umzugehen und die Aufmerksamkeit Erwachsener zu erhalten. Gleichzeitig gilt es darauf zu achten, welche Fähigkeiten das Kind bereits besitzt.

Der Fachvortrag zur gehirnbasierten Kommunikation trug dazu bei und zeigte anschaulich, wie sich das Gehirn von Kindern entwickelt, welche Bereiche des Gehirns das Verhalten und Empfinden steuern und wie man Kinder in ihrer Selbstregulation unterstützen kann. Um Selbst- und Co-Regulation ging es auch im Fachvortrag zur Schematherapie und den emotionalen Grundbedürfnissen. Dabei wurde thematisiert, wie eigene Verhaltensmuster entstehen und welche unbefriedigten Bedürfnisse noch aus der Kindheit dazu führen können, als Erwachsene in herausfordernden Begegnungen gestresst und unachtsam zu reagieren. Die Workshops vertieften mögliche Ursachen und Bewältigungsstrategien und lenkten den Blick auf die liebevolle und mitfühlende Gestaltung von Beziehungen, Selbstempathie, Zusammenhalt im Team und den Umgang mit Konflikten.

Mit der diesjährigen Online-Fachtagung des Netzwerks Gesunde Kita „Außer Rand und Band – Umgang mit herausforderndem Verhalten“ griffen wir ein Thema auf, welches als Wunsch von den pädagogischen Fachkräften wiederholt an uns herangetragen wurde. Das große Interesse im Vorfeld der Fachtagung, die hohen Teilnehmendenzahlen sowie das positive Feedback im Anschluss zeigten die Relevanz und Dringlichkeit des Themas, aber auch den Mehrwert der Zusammenarbeit im Netzwerk Gesunde Kita.

  • „Die Referent*innen waren allesamt richtig, richtig gut! Ich habe selten so viel guten Input so praxisnah serviert bekommen.“
     
  • „Die ganze Organisation, Ablauf war prima. Das Thema ist mehr als wichtig. Schade nur, dass nicht alle Teammitglieder dabei sein können, um hinterher ins Gespräch zu finden. Denn Jeder/ Jede hat mehr als genügend Beispiele dazu, und das Thema muss wohlwollender angegangen werden.“

Rückmeldungen wie diese erfreuten uns als Koordinierungsstelle ganz besonders, da sie verdeutlichten, welchen Beitrag die jährliche Fachtagung, auch im Online-Format, leisten kann und der Wunsch nach Austausch, Praxisanregungen und Vernetzung allgegenwärtig ist.

Sollten auch Sie nach dem Lesen der Dokumentation Interesse haben, mit Ihrer Einrichtung dem Netzwerk Gesunde Kita beizutreten, schauen Sie doch gerne unter Mitglied werden vorbei und füllen den Aufnahmeantrag online aus. Wir freuen uns auf Sie!


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